[Stuttgarter Zeitung vom 26. November 2004]Download

 

Berater, die Mittelständlern ihr Wissen andienen wollen, gibt es wie Sand am Meer.
Doch die H + H Senior Advisors GmbH in Stuttgart legt Wert auf den feinen Unterschied.
Wer mitmacht, darf damit nicht seinen Lebensunterhalt verdienen müssen.

Nach den Regeln der üblichen Karrierewege haben die Herrschaften ihre berufliche Zukunft bereits hinter sich. Allesamt nämlich sind sie in durchaus reifem Alter, haben etwas mehr als 60 Lenze auf dem Buckel. Als rüstige Rentner, die fürderhin bewaffnet mit Golfschläger oder Heckenschere durchs Leben schreiten wollen, fühlen sie sich aber keineswegs. „Was wir hier machen, ist nicht die Rettung vor dem eigenen Ruhestand“, sagt denn auch Claus Dieter Hoffmann.

Hoffmann, bis zu seiner Pensionierung vor gut zwei Jahren noch als Geschäftsführer bei der Robert Bosch GmbH zuständig für Controlling, Betriebswirtschaft, Finanzen und Einkauf, ist einer von zwei Gesellschaftern der H + H Senior Advisors GmbH in Stuttgart. Einer der beiden Großbuchstaben steht für seinen eigenen Namen, der andere für seinen Kompagnon, den Stuttgarter Anwalt Brun-Hagen Hennerkes. Im Domizil des seit Jahren im Geschäft mit Familienunternehmen tätigen Hennerkes haben sich Hoffmann und seine Mitstreiter, die als „Partner“ tätig sind, nicht nur eingemietet.

Das Büro Hennerkes, so wird durchaus eingeräumt, ist auch ganz nützlich, wenn es um Kontakte geht. Andere mögliche Kunden kennen Hoffmann und seine Partner noch aus jenen nicht allzu weit zurückliegenden Zeiten, in denen sie selbst noch an vorderster Front im Tagesgeschäft standen. „Sollen wir denn jetzt unser Wissen, unsere Erfahrungen und unsere Beziehungen einfach beerdigen?“, lautet die keineswegs nur rhetorisch gemeinte Frage von Hoffmann. Im Mittelstand haben die Senior Advisors eine Klientel entdeckt, der ihre Hilfe nützlich sein könnte. Seit dem Start vor zwei Jahren wurden etwa 20 Unternehmen beraten, einen regelrechten Flop haben die ehemaligen Manager bisher offenbar nicht hingelegt. Die Kunden sitzen in Baden-Württemberg, aber auch in Hessen, Bayern und Nordrhein-Westfalen. Zwischen 200 und 500 Millionen Umsatz macht das typische Unternehmen, das von Hoffmann und seinen Mitstreitern beraten wird. Selbst aus weitaus größeren Unternehmen kommend, hält man sich durchaus für kompetent bei vielen Problemen, bei denen den Mittelstand der Schuh drückt. „Viele Themen sind relativ unabhängig von der Größe der Unternehmen“, sagt Hoffmann und nennt beispielhaft die Frage eines möglichen Engagements in Osteuropa. „Die Mittelständler entscheiden oft aus dem Bauch heraus“, erzählt Klaus Haager, bis vor rund zwei Jahren kaufmännischer Direktor bei Bosch. Bei Bosch hat Haager natürlich mit Hoffmann zusammen gearbeitet, man kennt sich. Oder man kennt wenigstens jemand, der jemand kennt. So kannte Hoffmann Jörg Bullinger, den Präsidenten der Fraunhofer Gesellschaft. Bullinger machte ihn auf Günter Armbruster aufmerksam, der sich aus seiner früheren Tätigkeit in der Konzerngeschäftsführung bei Voith nicht nur in kaufmännischen Fragen, sondern auch in der Produktionstechnik auskennt.

Ein vielfältiges Beziehungsgeflecht, Erfahrungen, die ein gerade der Uni entsprungener hoffnungsvoller Consultant einer Wirtschaftsberatungsgesellschaft eben nicht aufweisen kann - das ist für Hoffmann einer der Pluspunkte, wenn es darum geht, seine eigene Gesellschaft günstig darzustellen. „Wir haben Erfahrungen mit Mittelständlern, auch wenn wir aus Großunternehmen kommen.“ Und noch etwas anderes macht den feinen Unterschied zwischen den graumelierten Herren und Nachwuchsberatern aus: „Wir haben alle unsere Pension, wir müssen nicht Stunden oder Tage schinden“. Man fühlt sich dank des Ruhestandsgehalts unabhängig, muss auch keinem Kunden nach dem Munde reden. Das schafft offenbar Vertrauen - Vertrauen, das helfen kann, den Weg in Herz und Hirn von Mittelständlern zu finden: „Tatsächlich ist der Unternehmer bei seinen Entscheidungen sehr einsam.“ Spricht er mit der Familie, schmort er „im eigenen Saft“, spukt ihm eine Idee erst mal einfach so im Kopf herum, sind bilanztechnisch versierte Banker auch nicht der geeignete Partner.

Die Senior Advisors, wie eingeräumt wird, durchaus etwas teurer als andere Berater, halten bei Bedarf einen regelmäßigen Jour-Fix ab, werfen Fragen auf und versuchen zu strukturieren, was der eine Mittelständler sich so an Ideen zurechtlegt. „Entscheiden muss der Unternehmer selbst“. In Ausnahmefällen geht es aber auch mal anders: „Einmal haben wir einem Unternehmer auch schon eine Firma im Ausland gekauft“, erzählt Hoffmann. Sechs Wochen arbeitet Hoffmann, dann macht er 14 Tage Urlaub. Günter Armbruster will etwa die Hälfte seiner Zeit für die Beratungstätigkeit aufwenden - und ahnt schon, dass solches möglicherweise nicht reicht: „Man kann es sich nicht aussuchen, wenn ein Projekt läuft, muss man da sein.“

Zu jung übrigens darf nicht sein, wer bei den Seniors Advisors mitmischen will: „55 Jahre und älter“, meint Hoffmann. Schließlich soll der Berater von den Ruhestandsbezügen leben, nicht vom Honorar. Und zudem soll die Tätigkeit nicht als Zwischenstufe ausgenutzt werden, um später einen Vorstandssessel zu ergattern. Ewig aber darf auch ein Senior Advisor im Ruhestandsberuf nicht aktiv sein: „Mit 70 ist Schluss“, sagt Hoffmann.


Von Ulrich Schreyer


SCHREYER / SCHREYER
© 2004 Stuttgarter Zeitung
Artikel aus der Stuttgarter Zeitung
Freitag, 26. November 2004
Seite 12
Ausgabe: Nr.275

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